Wie die Bruderschaft entstand…

von Heinz Baumgarten (2004)

Als ich kürzlich die Jubiläumsfestschrift der Kalkumer Bruderschaft durchlas, kam mir der Gedanke, unsere, in der Schrift „Der gemeinsame Weg durch die Zeit“ ausführlich behandelte Erkenntnis über die Anfänge der Bruderschaften in diesem Raum noch einmal kurz zusammengefasst darzustellen.

Spüren wir der Vergangenheit unserer Bruderschaft nach, stellen wir bald fest, dass drei in sich geschlossene Zeitabschnitte völlig unterschiedliche Entwicklungen markieren. Obwohl die Übergänge von dem einen zum anderen natürlich fließend waren, möchte ich zum besseren Verständnis feste Grenzdaten setzen.

In der Zeit zwischen den Jahren 1429 und 1812 gab es in unserer engeren Heimat, dem Gebiet um die Orte Calcum und Rath, eine einzige Bruderschaft, die St. Sebastianus Bruderschaft Calcum.

Nach Gründung der Pfarrgemeinde Rath lösten sich die Rather Gemeindemitglieder aus der Calcumer Bruderschaft und schlossen sich in der „Bruderschaft des heiligen Sebastianus zu Rath“ zusammen. Dieser Zeitabschnitt endete 1907.

1924 gründete sich die „St. Sebastianus Bruderschaft Rath zu Düsseldorf-Unterrath“ neu als Schützenbruderschaft und gab sich den Auftrag, jährlich ein Schützenfest auszurichten. Die damals gewählte Organisationsform und die vorgegebenen Ziele sind im wesentlichen auch heute noch gültig.

Die Anfänge des Bruderschaftwesens liegen in den frühchristlichen Jahrhunderten. Bruderschaften waren die „organisierte“ Form des Zusammenlebens der Menschen in ihren Gemeinden, deren Mittelpunkt die Pfarrkirche oder eine klösterliche Einrichtung waren. In den Bruderschaften machten alle Gemeindemitglieder mit. Es gab solche, die den Gottesdienst zum Ziel hatten oder karitativ tätig waren. Es gab Wallfahrtsbruderschaften, andere widmeten sich der Heiligenverehrung, der Betreuung von Armen und Kranken oder dem Schutz der Gemeinde. Alle diese Bruderschaften waren in der Verehrung Gottes vereint und eiferten einem Schutzheiligen nach, zu dessen Andenken sie einmal im Jahr ein großes Fest veranstalteten.

Eine besondere Stellung im Leben der Gemeinde nahmen bald die Bruderschaften vom Hl. Sebastian ein. Sie übernahmen den Kampf gegen die Pest, die in damaligen Zeiten oft 25 % der Gemeindemitglieder dahinraffte; sie waren bei Feuersbrünsten zuständig für die Brandbekämpfung und übernahmen den Kampf gegen Räuberbanden und umherstreifendes Gesindel. Für die Verteidigung der Dörfer und festen Plätze im Gemeindegebiet waren sie jedoch nicht ausgerüstet und auch nie eingesetzt. Darin unterschieden sie sich von den Bruderschaften in den befestigten Städten, die in die Verteidigung einbezogen waren.

Im 14. und 15. Jahrhundert bauten die Städte-veranlasst durch die ständigen Fehden mit dem herrschenden Adel – ihre Stadtbefestigungen immer mehr aus. Die führte in Kaiserswerth dazu, dass sich das Leben innerhalb der Stadtmauer anders entwickelte als in den umliegenden Landgemeinden. Die seelsorgerische Betreuung der Landbevölkerung der Honschaften Calcum, Lohausen und Rath „außerhalb der Mauer“ verlagerte sich nach Creutzberg und Calcum, ohne dass das Kaiserswerther Stift seinen Einfluss ganz aufgab. So kam es, dass sich Anfang des 15. Jahrhunderts neue Bruderschaften in den Landgemeinden bildeten. Dies geschah 1429 in der Gemeinde Calcum-Rath, 1436 folgte Wittlaer, um 1450 Angermund (erste schriftliche Erwähnung 1511) und schließlich 1464 Lintorf.

Nach Prof. Fischer ist die Mitgliedschaft von Lohauser und Stockumer Einwohnern in der St. Seb. Bruderschaft Calcum durch Unterlagen aus dem Jahr 1677 erwiesen.

Es haben sich also in kürzester Zeit die Bruderschaftsstrukturen herausgebildet, die bis zum Ende der napoleonischen Zeit erhalten blieben. Es liegt nahe, eines zum Zusammenhang mit den gleichzeitig erfolgten Gründungen in Ratingen, Gerresheim und Derendorf zu vermuten.

Eine Vielzahl von Daten und Ereignissen bestätigen die Annahme, dass Calcum und Rath, beide in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends abhängig vom Stift Kaiserswerth, in enger Beziehung zueinander standen und der Flecken Rath und die zahlreichen Gehöfte und Herrensitze des Umlandes Teil des Pfarrbezirkes Calcum waren. Insofern unterstand auch die Kapelle zu Rath dem Calcumer Pfarrer, wobei es bei der Ausübung dieser Zuständigkeit zwischen Stift Kaiserswerth, Pfarre Calcum und Kapelle zu Rath häufig zur Änderung der Schwerpunkte kam.

Erst am 12.11.1847 werden die letzten Gehöfte in Lichtenbroich und dem heutigen Unterrath durch erzbischhöfliches Dekret aus dem Pfarrbezirk Calcum heraus gelöst und dem in der Verwaltungsreform von 1808 neu festgelegten Gemeindegebiet von Rath innerhalb der Bürgermeisterei Eckamp zugeschlagen.

Die dem Dekret beigefügte Namensliste der betroffenen Gemeindemitglieder weist mehrere Namen auf, die uns in dem Dokument über die Gründung der Calcumer „Kranken- und Sterbelade“ aus dem Jahr 1812 aufgefallen sind.

Weitere Hinweise auf eine gemeinsame Vergangenheit der beiden Bruderschaften sollen nicht außer Acht bleiben, obwohl ihre Echtheit nicht nachgewiesen werden kann. In dem Antrag der Unterrather Bruderschaft an die britische Militärregierung auf Wiederzulassung im Jahr 1946 heißt es: „Nach Überlieferung … besteht die St. Seb. Bruderschaft seit dem 15. Jahrhundert. Die Dokumente, Aufzeichnungen und Utensilien fielen einer Feuersbrunst zum Opfer“.

Eine andere Quelle besagt, dass „in den ältesten Mitgliedsverzeichnissen der Calcumer Bruderschaft Namen von Bewohnern der Honschaft Rath auftauchen, die also schon vor 1600 einen Teil dieser Bruderschaft ausmachen.“

Archivrath Dr. G. v. Roden berichtet 1951: „In einer Renteirechnung des Amtes Angermund von 1762 finden wir die Anmerkung, dass der Rather Seelsorgebezirk … ein Teil der Pfarrei Creutzberg-Calcum sei.“

Es mag sein, dass die Erinnerung an die Fehde der Calcumer Herren mit der Stadt Köln, die im Jahr 1405 zur Zerstörung des Dorfes Calcum führte, die Entwicklung von Kaiserswerth zur befestigten Stadt und die Gründung der St. Seb. Bruderschaft im Umland förderte und deren Augenmerk besonders auf die Notwendigkeit richtete, Haus und Hof vor Übergriffen bewaffneter Banden zu sichern. Ein Dokument aus dem Jahr 1434 über einen Landverkauf bleibt die bisher einzig bekannte Nachricht von der Bruderschaft aus dieser Zeit.

Wir wissen aus der Geschichte von den ständigen Unruhen, Kriegen und religiösen Auseinandersetzungen, die immer wieder unsere engere Heimat berührten. Die Pest forderte alleine in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts viermal einen furchtbaren Zoll an Menschenleben. Besonders schlimm muss die Epidemie dann noch einmal 1666 zugeschlagen haben. Schließlich verwüstete der 30jährige Krieg 1618-48, in dem marodierende Freibeuter und vagabundierende Landsknechte ihr Unwesen trieben, das hiesige Gebiet. Nehmen wir an, die St. Seb. Bruderschaften haben in diesen Zeiten ihren Auftrag erfüllt, Eine Nachricht über ihre Tätigkeit gibt es nicht.

Nach dem Ende des 30jährigen Krieges kam es als Folge der Reformation zu einem allmählichen Rückgang des Einflusses der Kirchen auf das öffentliche Leben und zu einer Stärkung der weltlichen Obrigkeiten.

Auch in den Bruderschaften setzte unmerklich ein Wandel ein. Ich zitiere „… es kam zu einem Verfall des Brauchtums, indem sie sich weniger ernsten Aufgaben widmeten als vielmehr der Geselligkeit“.

Die hiesigen Bruderschaften passten sich den Strömungen der Zeit an und sahen sich immer stärker wechselnden Einflüssen von Kirche und weltlicher Obrigkeit ausgesetzt, insbesondere durch die städtischen Behörden in Kaiserswerth und die Oberbehörde in Düsseldorf.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verschlechterte sich das Verhältnis der Bruderschaften zur Obrigkeit so sehr, dass der Kurfürst veranlasste, die Leitung der Bruderschaften (so in Kaiserswerth und Gerresheim) staatlichen oder städtischen Räten zu übertragen. Es kam zur vorübergehenden Aufhebung der Bruderschaften und Beschlagnahme ihres Vermögens zu Gunsten der Armenfonds. 1774 untersagte eine bischöfliche Verordnung den Angermundern das Mitführen von Gewehren bei den Prozessionen. Schließlich wurde die endgültige Auflösung der Bruderschaften beantragt. Aus dem Antragschreiben sei ein Absatz zitiert: „… dass die Bruderschaft Zank, Streit, Unordnung und Exzesse verursache, sowie nur zum Schwelgen und Saufen Anlass gäbe. Außerdem habe die Erfahrung bewiesen, dass Zusammenkünfte der Bruderschaften beim gemeinen Mann einen üblen Ausgang nähmen, daher besser einzustellen seien“. Die Regierung in Düsseldorf ließ die Sache bei den angesprochenen Bruderschaften – auch bei der Calcumer – prüfen und kam zu dem Schluss, dem Antrag „trotz starker Bedenken“ nicht stattzugeben.

Den Bruderschaften wehte ein starker Wind ins Gesicht. Ganz unschuldig waren sie an dieser Entwicklung nicht. Im Laufe der Zeit hatten sie sich immer mehr von ihrem ursprünglichen Auftrag entfernt. Die Einnahmen, in vielen Fällen aus Landbesitz und Darlehensvergaben stammend, wurden nicht mehr zu sozialen Zwecken verwandt, sondern dienten der Finanzierung von Festen und Schützenkönigen. Es erwarben immer mehr Leute eine Mitgliedschaft, die dem Ruf der Bruderschaften nicht zuträglich waren.

Der zunehmende Druck von außen und die berechtigte Kritik bewirkten eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Auftrag. Man wollte den Behörden auf keinen Fall Anlass geben, ein Verbot auszusprechen oder gar das Vermögen einzuziehen.

Mit dem Beginn der französischen Besatzung verschlechterte sich die Situation der Bruderschaften wesentlich.

Das Gebiet der Honschaft Rath wurde 1808 der Marie (Bürgermeisterei) Eckamp angegliedert und am 21.8.1811 erhielt die Kapelle zu Rath den Status einer Pfarrkirche, nachdem das Kloster Rath der Säkularisierung zum Opfer gefallen war. Damit endete die kirchliche und verwaltungstechnische Einheit Rath’s mit Calcum.

Die Rather Mitglieder verließen die St. Seb. Bruderschaft Calcum und schlössen sich in der „Bruderschaft des Hl. Sebastianus zu Rath“ zusammen.

Um einer möglichen Beschlagnahme ihres Vermögens zu entgehen und eingedenk ihres historischen Auftrages, beschloss die Calcumer Bruderschaft dann am 30.1.1812 die Gründung einer „Kranken- und Sterbelade“. Neben den Unterschriften des Grafen Edmund von Hatzfeldt und Wilhelm Windeck ist das Dokument mit weiteren 37 Unterschriften versehen, von denen einige später auch auf „Rather Papieren“ zu finden sind.

Damit endet mein Bericht vom gemeinsamen Ursprung der Calcumer- und der Rather Bruderschaften. Das 575jährige Jubiläum – in Kalkum festlich begangen – gibt mir Anlass zu der Hoffnung, beide Bruderschaften bei einem der nächsten Jubiläen eingedenk ihrer gemeinsamen Wurzeln im Feiern vereint zu sehen.

Wie ging es in der Rather Bruderschaft weiter?

Wir gehen davon aus, dass der Zeitpunkt der Neugründung der Rather Bruderschaft im Jahr 1812 liegt und im Zusammenhang mit der Erhebung der Rather Kapelle zur Pfarrkirche steht. Diese Annahme wird von W. Weidenhaupt gestützt, der eine terminliche Übereinstimmung der Gründung der Kranken- und Sterbeladen in Calcum und Rath sieht. Er nimmt allerdings irrtümlich das Jahr 1822 als Jahr der Gründung an. Wir halten uns in diesem Fall an das Datum der Beschlussfassung, den 30. Januar 1812.

Den Weg ihre hier geschilderten Probleme durch Gründung von Kranken- und Sterbeladen zu lösen, gingen in jenen Jahren mindestens 6 Bruderschaften in unserer Nachbarschaft. Ratingen eröffnete den Reigen im Jahr 1801, Calcum und Rath folgten 1812. Bis zur Mitte des Jahrhunderts folgen u. a. Angermund und Lohausen-Stockum. Die Gründung der Kranken- und Sterbeladen hatte einen völligen Wandel des Charakters unserer Bruderschaften zur Folge. Sie alle zogen sich aus dem Dienst an der Gemeinschaft zurück und gewährten die in der Satzung vorgesehenen Hilfen und Unterstützungen nur noch den eingeschriebenen Mitgliedern.

1815 wurde unser Gebiet dem Königreich Preußen zugeschlagen. Damals ermittelte man folgende Einwohnerzahlen: Angermund 494, Gerresheim 841, Kaiserswerth 1.213, Calcum 474, Lohausen 208, Stockum 90, Wittlaer 126 und Rath 1.284.

Mit den Preußen kam auch die Bürokratie. Ab sofort mussten Vereinigungen bei den Behörden angemeldet und von ihnen genehmigt sein. Sie mussten beim Registergericht eingetragen werden und hatten Satzungen zur Prüfung vorzulegen. Ver­sammlungen, Veranstaltungen und „Tanzlustbarkeiten“ bedurften einer amtlichen Genehmigung. Bruderschaften wurden „amtlich genehmigte Vereine“.

Die Bruderschaften mussten sich auf diese neue Situation erst einstellen. So kam es, dass der Zeitpunkt der Gründung unserer Bruderschaft mit dem Datum der Satzung, die in unserem Fall erst am 20.1.1833 in Kraft trat, nicht übereinstimmt.

Angeregt durch den völkischen Aufbruch während und nach den Freiheitskriegen bildeten sich allerorten „weltliche“ Schützen­vereine, die sich dem Schießsport und der „Pflege der Geselligkeit“ verschrieben. Sie standen in keiner Verbindung zu den Bruderschaften und schöpften ihren Enthusiasmus aus der völkischen Vergangenheit. Im Jahr 1845 bildete sich in Unterrath ein solcher Verein, der aber nach etwa 10 Jahren seine Tätigkeit wiedereinstellte.

Um 1906 gründete sich in Lichtenbroich ein Freischützverein, der sich 1911 eine Satzung gab. Es scheint so, dass dieser Verein der Vorgänger der Freischützkompanie ist, die am 24.5.1925 der Bruderschaft beitrat.

Die Bruderschaft verfolgte die in der Satzung von 1833 festgeschriebenen Ziele, geriet Mitte des Jahrhunderts in finanzielle Schwierigkeiten, die mit Hilfe der Mutterpfarre beigelegt werden konnten, fasste ihre Satzung am 22.10.1845 neu und beschränkte damit ihre Tätigkeit auf die Gemeinden Unterrath, Thewissen und Rather Bruch. Eine weitere Satzungsänderung erfolgte am 11.3.1854, wohl im Zusammenhang mit der Auflösung des „Rather Schützenvereins von 1845″. Nach dem Krieg 1870-71 schwand das Interesse an dem Bruderschaftswesen und wandte sich den allenthalben entstehenden Soldatenbünden zu.

Als die Bismarck’sche Sozialreform in Kraft trat, rückte auch das Interesse an der „Kranken- und Sterbelade“, dem Hauptbetätigungsfeld der Bruderschaft, in den Hintergrund. •

1905 machte die Bruderschaft noch einmal den Versuch, durch Satzungsänderung neue Aktivitäten zu entwickeln. Die Mitgliederzahl war zu diesem Zeitpunkt auf ca. 20 abgesunken. Als dieser Versuch misslang, stellte die Bruderschaft am 9.2.1905 ihre Tätigkeit ein. Es gab 1911 einen weiteren Anlauf, eine neue Satzung zu entwerfen (interessanterweise heißt es in der Überschrift: „Entwurf eines Statuts zur Gründung eines Volks- bzw. Schützenfestes“. Auch dieser Versuch führte zu nichts, die Bruderschaft alten Zuschnitts war nicht mehr zu retten.

Über die hier geschilderten Entwicklungen und Ereignisse 19. Jahrhundert wurde an anderer Stelle ausführlich berichtet.

Es vergingen 19 Jahre mit einem 41/2Jahre währenden grausamen Krieg, der unser Land bis in seine Grundfesten erschütterte, bis ein erneuter Versuch gemacht wurde, auf dem Gebiet der alten Honschaft Rath die St. Sebastianus Bruderschaft zu neuem Leben zu erwecken. Rath war inzwischen (seit 1909) von Düsseldorf eingemeindet worden und hatte sich in zwei Stadtteile, Unterrath und Rath, geteilt, die seit der Jahrhundertwende eine völlig unterschiedliche Entwicklung nahmen. So kam es, dass beide Stadtteile bei der Wiederbelebung des bruderschaftlichen Brauchtums getrennte Wege gingen. In Rath knüpfte man nicht mehr an die Traditionen der vergangenen Jahre an, sondern gründete einen „Bürgerschützenverein“, während in Unterrath in Anlehnung an die Mutterpfarre und mit aktiver Unterstützung durch den damaligen Pfarrer Kaiser versucht wurde, die Tradition der St. Sebastianus Bruderschaft wiederaufzunehmen und in der Neugründung fortzusetzen.

Am 23. August 1924 versammelten sich ehemalige Mitglieder der 1905 untergegangenen Bruderschaft mit interessierten Bürgern und beschlossen, die Bruderschaft wieder aufleben zu lassen und jährlich ein Schützenfest zu feiern.

Inzwischen waren unabhängig hiervon Schützengesellschaften gegründet worden, die nicht mehr auf den religiös geprägten Traditionen der alten Bruderschaft fußten, sondern sich in der Tradition der untergegangenen kaiserlichen Armee sahen und sich auf die soldatische Vergangenheit ihrer Mitglieder stützten.

Es gelang beide von extrem unterschiedlichen Traditionen ausgehenden Gruppen in der „neuen“ Bruderschaft zu vereinen. Allerdings um den Preis einer weitgehenden Abkehr von den überlieferten Traditionen, die wenigstens in ihren äußeren Formen in der Bruderschaftskompanie, die später in Stammgesellschaft unbenannt wurde, wachgehalten und gepflegt werden.

Die soziale Verantwortung für die Gemeinde und die „Brüder“ trat immer mehr in den Hintergrund. Als Zweck des Vereins (so bezeichnete sich die Bruderschaft hinfort) wurde in der Ende 1926 in Kraft getretenen Satzung „die Pflege der Geselligkeit und des bürgerlichen Gemeinsinns, die Abhaltung eines Schützen- und Volksfestes und die Beteiligung der Mitglieder an kirchlichen Feiern besonders an Prozessionen“ angegeben.

80 Jahre sind nun seit der Neugründung vergangen. Es ist an der Zeit sich Gedanken zu machen, wie die zukünftigen Aufgaben und Ziele neu vorzugeben sind, um die Bruderschaft sicher in die Zukunft zu führen und ihr zu ermöglichen, auf der Basis der überkommenen Traditionen in der sich ständig wandelnden Gesellschaft eine positive Entwicklung zu nehmen.

Ich denke, wir sollten Begriffe wie „.Bruderschaft“, „Glaube, Sitte und Heimat“ neu definieren und uns dazu bekennen. Nur so lässt sich der Anspruch der Bruderschaften auf sittlich-moralischem Gebiet glaubhaft vertreten.

1429-1924 zwei Jubiläen, die zu denken geben sollten!

Heinz Baumgarten